Edi­ti­on Lite­ra­tur­haus Hei­del­berg, Aus­ga­be 1:

Rei­ner Wild, »Die­ses Baum’s Blatt«. Zu Goe­thes Gedicht Gin­go bilo­ba

(…) Es mag ver­wun­dern, war­um ich – da ich doch über Goe­thes Gin­go bilo­ba-Gedicht reden soll, das er vor ziem­lich genau zwei­hun­dert Jah­ren, im Sep­tem­ber 1815 geschrie­ben hat – die­se Fabel erzäh­le. Sie hat, wie es sich für Fabeln gehört, eine expli­zit for­mu­lier­te Moral: »Ach«, heißt sie bei James Thur­ber, »war­um muß der Mythen­zer­stö­rer gleich­zei­tig ein Fröh­lich­keits­tö­ter sein?« Wenn ich nun – hier in Hei­del­berg, am Fuß des Schloss­bergs, schräg unter­halb der Ter­ras­se des Schlos­ses – über Gin­go bilo­ba spre­chen soll, so muss ich – ob ich es nun bedau­ern mag oder nicht – in die Rol­le des Eich­hörn­chens schlüp­fen; der Hei­del­ber­ger, der ich bin, mag dies bedau­ern wie die Tie­re auf der Wie­se, dem Phi­lo­lo­gen frei­lich, der ich auch bin, bleibt kei­ne Wahl. Es gehört zu den – durch­aus ja lie­bens­wer­ten und nicht zuletzt auch ein­träg­li­chen – lite­ra­ri­schen Legen­den Hei­del­bergs, wird in den Füh­run­gen allen inter­es­sier­ten Tou­ris­ten so erzählt und in Gedenk­ar­ti­keln so ver­brei­tet, dass das Gin­go-Gedicht hier in Hei­del­berg ent­stan­den sei. (…)

Prof. em. Dr. Rei­ner Wild (Uni­ver­si­tät Mann­heim) ist u. a. Autor der Mono­gra­phie Goe­thes klas­si­sche Lyrik (1999) und Band­her­aus­ge­ber der gro­ßen Münch­ner Goe­the-Aus­ga­be (Sämt­li­che Wer­ke nach Epo­chen sei­nes Schaf­fens).

Edi­ti­on Lite­ra­tur­haus Hei­del­berg
Aus­ga­be 1

Rei­ner Wild: »Die­ses Baum’s Blatt«. Zu Goe­thes Gedicht Gin­go bilo­ba. Vor­trag, gehal­ten auf Ein­la­dung des Ver­eins Lite­ra­tur­haus Hei­del­berg e.V. am 26. Novem­ber 2015.
36 Sei­ten

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