Jahresgabe 2024:
Franz Kafka
»Für Ludwig Hardt, um Hebel eine Freude zu machen«
Prag, 7. Oktober 1921
Eine Widmung und ihre Geschichte
In seiner Dankrede für den Johann-Peter-Hebel-Preis 1980 erzählte Elias Canetti von einem Besuch Ludwig Hardts (1886–1947), der »in den Jahren zwischen den beiden Kriegen mit gutem Grund als der bedeutendste Rezitator deutscher Zunge galt. […] Er war ein kleiner, zierlicher, ungemein beweglicher Mann, der keinen Augenblick stillhielt und sich nicht setzen mochte. Während er im Zimmer […] auf und ab ging, hielt er die Rechte in seiner Rocktasche vergraben und spielte da mit einem Gegenstand, der mir wie ein kleines Buch vorkam. Schließlich zog er ihn heraus, es war wirklich ein Buch, er hielt es mir mit einer feierlichen Geste hin und sagte: ‚Wollen Sie das Teuerste sehen, was ich besitze? Ich trage es immer bei mir, ich vertraue es niemandem an. Wenn ich schlafen gehe, lege ich es unter mein Kissen.‘ Es war eine kleine Ausgabe von Hebels Schatzkästlein aus dem vorigen Jahrhundert. Ich öffnete es und las die Widmung […]. Es war Kafkas eigenes Exemplar des Schatzkästleins, das auch er mit sich herumzutragen pflegte. Als er Ludwig Hardt zum erstenmal Hebel sprechen hörte, sei er derart ergriffen gewesen, daß er ihm sein Exemplar mit dieser Widmung geschenkt habe.« (…)
Die Jahresgabe beinhaltet außerdem Ludwig Hardts Text »Erinnerung an Franz Kafka«.
Wir danken der Theodor Springmann Stiftung, Heidelberg, für die Reproduktionen aus dem Hebel-Band mit Kafkas Widmung.