Jahresgabe 2022:
Marianne von Willemer, »Euch grüß ich weite lichtumfloßne Räume«
Das Heidelberger Schloß
Den 28. Juli Abends 7 Uhr
Mit Faksimiles
Marianne von Willemer und Goethe hatten sich am 26. September 1815, als beide Heidelberg besuchten, zum letzten Mal gesehen. Die Steintafel im Stückgarten des Heidelberger Schlosses, die zum 150. Geburtstag Goethes am 28. August 1899 enthüllt wurde, trägt als Inschrift drei Gedichtstrophen und endet mit den Worten »Diese Verse schrieb Marianne von Willemer / In Erinnerung an ihre letzte Begegnung mit / Goethe in den Herbsttagen des Jahres 1815«.
Entstanden ist das auszugsweise zitierte Gedicht in der Gerbermühle bei Frankfurt, dem Sommersitz der Willemers. Von Ende Mai bis Juli 1824 waren Johann Jakob und Marianne von Willemer zu Verwandten ins Salzburgische gereist und hatten auf der Rückfahrt in Straßburg und Heidelberg Station gemacht. Diese Route und zumal, daß Johann Peter Eckermann am 28. Juli 1824 in der Gerbermühle zu Besuch war, dürften Marianne von Willemer eingegeben haben, am gleichen Tag, einen Monat vor Goethes 75 Geburtstag, an ihn zu schreiben: »Gedenken Sie meiner, und in Liebe; daß ich Ihrer gedenke, möge nachstehendes beweisen, so wie daß die schönste Gegend immer eine fremde bleibt, wenn nicht durch Liebe und Freundschaft sie heimisch geworden; wo fände sich für mich eine schönere als Heidelberg!« »Nachstehendes« ist das Gedicht.
Die Originale von Brief und Gedicht sind nicht überliefert. Eine Abschrift des Gedichts, angefertigt von Goethes Schreiber Johann August Friedrich John, hat Goethes Schwiegertochter Ottilie 1831 in Nr. 3 ihrer privaten Zeitschrift »Chaos« publiziert. Erhalten hat sich die hier reproduzierte titellose Reinschrift von Marianne von Willemers Hand, die als spätere Fassung gilt und geringfügig korrigiert ist. Sie befindet sich heute in den Sammlungen des »Freien Deutschen Hochstifts«, Frankfurt am Main, dem wir für die Erlaubnis, das Manuskript abbilden zu dürfen, ganz herzlich danken.