Jahresgabe 2020:
Joseph von Eichendorff, Das zerbrochene Ringlein
Mit Faksimile
Wenige Tage nach seinem 31. Geburtstag debütierte Peter Rühmkorf bei der Gruppe 47, wo er dieses Gedicht 1960 auf deren 22. Tagung (4.–6. November) im Großen Sitzungssaal des Aschaffenburger Rathauses erstmals öffentlich vortrug. Am 20. März 1961 wurde es in der Zeitschrift »konkret« gedruckt, und im folgenden Jahr publizierte es Rühmkorf in seinem von Rowohlt verlegten Band »Kunststücke. Fünfzig Gedichte nebst einer Anleitung zum Widerspruch«, gemeinsam mit »Variationen« auf drei Gedichte von Hölderlin, Klopstock und Matthias Claudius.
Die abgebildete Reinschrift, heute im Besitz des Freien Deutschen Hochstifts, ist vermutlich Anfang bis Mitte der 1970er Jahre entstanden und steht auf einem Karton im Format 42 × 29,7 cm (hier in kleinerem Maßstab reproduziert).
Der »kühle Grund« in Eichendorffs erstem Vers kann in Rohrbach lokalisiert werden, muß aber nicht. Joseph von Eichendorff und sein älterer Bruder Wilhelm waren von Mai 1807 bis April 1808 zum Jurastudium in Heidelberg, wo es zu einer unglücklichen Liebesbeziehung zwischen dem Freiherrn und Katharina Förster kam, der Nichte eines Mühlenbesitzers im Rohrbacher Tal. Die biographische Grundierung des Gedichts bleibt indes blaß, wenn man den literarischen Kontext der Zeit betrachtet. Ton, Metrum sowie eine Fülle von Motiven hat Eichendorff aus der Volksliedtradition geschöpft und seinerseits eine lyrische Variation geschaffen. Mit dem Titel »Lied«, unterzeichnet von dem Pseudonym »Florens«, ist das Gedicht in der 1813 von Justinus Kerner und anderen herausgegebenen Anthologie »Deutscher Dichterwald« erstmals gedruckt worden. Seine Autorschaft lüftete Eichendorff 1815, als er das Gedicht, noch ohne den späteren Titel »Das zerbrochene Ringlein«, in das 20. Kapitel seines Romans »Ahnung und Gegenwart« aufnahm.
Der Freundeskreis Literaturhaus Heidelberg e.V. veröffentlicht für seine Mitglieder Jahresgaben in bibliophiler Ausstattung.