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23. Juni 2016, 19 Uhr
Muse­um Haus Cajeth

Gun­ther Nickel: »Die Kunst geht nach Brot«. Prei­se und För­der­pro­gram­me für Schrift­stel­le­rin­nen und Schrift­stel­ler

Foto pri­vat

Lite­ra­tur wur­de in der Geschich­te der Mensch­heit noch nie der­art umfang­reich ali­men­tiert wie seit Beginn der 1980er Jah­re in Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz. Die Zahl der Prei­se und För­der­pro­gram­me für Schrift­stel­ler geht längst in die Hun­der­te und steigt ste­tig wei­ter an. Kla­gen über die deso­la­te öko­no­mi­sche Lage von Künst­lern im All­ge­mei­nen und Schrift­stel­lern im Beson­de­ren rei­ßen indes nicht ab. Ver­ein­zelt beschwe­ren sich Autoren aber neu­er­dings auch über eine »För­der­über­for­de­rung«. Über die­ses wei­te und wider­spruchs­vol­le Feld wird der Vor­trag nicht nur einen Über­blick geben, son­dern auch sei­ne his­to­ri­sche Gene­se seit Mit­te des 19. Jahr­hun­derts skiz­zie­ren.

Prof. Dr. Gun­ther Nickel arbei­tet seit 2002 als Lek­tor und stellv. Geschäfts­füh­rer für den Deut­schen Lite­ra­tur­fonds e. V. in Darm­stadt, der mit einem Jah­res­etat von der­zeit 1,1 Mil­lio­nen Euro deutsch­spra­chi­ge Gegen­warts­li­te­ra­tur för­dert. Dane­ben erforscht und lehrt er an der Uni­ver­si­tät Mainz Neue­re deut­sche Lite­ra­tur­ge­schich­te und beschäf­tigt sich dabei auch kon­ti­nu­ier­lich mit der Ent­wick­lung der deutsch­spra­chi­gen Gegen­warts­li­te­ra­tur.

Der Vor­trag ist eine Gemein­schafts­ver­an­stal­tung von Freun­des­kreis Lite­ra­tur­haus Hei­del­berg e.V. und Gesell­schaft der Freun­de des Muse­um Haus Cajeth e.V. in Koope­ra­ti­on mit den Bücher­Frau­en Rhein-Neckar.

wann & wo

23. Juni 2016, 19 Uhr
Vor­trags­saal Muse­um Haus Cajeth
Has­pel­gas­se 12
69117 Hei­del­berg

Ein­tritt: 5 Euro, ermä­ßigt 3 Euro

Von Geld­quel­len, Ver­wal­tern und bedürf­ti­gen Skri­ben­ten

Trotz hoch­som­mer­li­cher Tem­pe­ra­tu­ren war eine ansehn­li­che Zahl Lite­ra­tur­in­ter­es­sier­ter zur zwei­ten Ver­an­stal­tung des Ver­eins »Freun­des­kreis Lite­ra­tur­haus Hei­del­berg« in den – ange­nehm tem­pe­rier­ten – Saal des tra­di­ti­ons­rei­chen Hau­ses Cajeth gekom­men, um sich von Prof. Dr. Gun­ther Nickel kennt­nis­reich zu den sub­ven­tio­nier­ten Geld­quel­len der Schrift­stel­le­rei füh­ren zu las­sen. Der 90-minü­­ti­­ge Vor­trag, an den sich eine kur­ze, aber leb­haf­te Dis­kus­si­on anschloß und der mit kräf­ti­gem Bei­fall quit­tiert wur­de, beleuch­te­te in vier Akten Geschich­te, Anspruch, Wirk­lich­keit und Pro­ble­me der Lite­ra­tur­för­de­rung in Deutsch­land.

Seit Mit­te des 19. Jahr­hun­derts wird über die Sub­ven­tio­nie­rung der Lite­ra­tur unent­wegt erbit­tert gestrit­ten. Die Argu­men­te pro und con­tra, die Nickel mit (teil­wei­se erhei­tern­den) Zita­ten anschau­lich mach­te, sind weit­ge­hend die glei­chen geblie­ben. Radi­kal geän­dert hat sich jedoch, daß inzwi­schen jähr­lich mehr als 95.000 deutsch­spra­chi­ge Novi­tä­ten den Buch­markt über­flu­ten und hier­zu­lan­de der­zeit mehr als 13.500 Schrift­stel­ler laut »Kürsch­ners Lite­ra­tur­ka­len­der« tätig sind, von denen ledig­lich acht Pro­zent, schätzt der Ver­band deut­scher Schrift­stel­ler, vom Schrei­ben allein leben kön­nen. Die Siche­rung der schrift­stel­le­ri­schen Arbeit ist dem­nach pri­mär eine sozia­le, kei­ne ästhe­ti­sche Auf­ga­be. Nickel: »Autoren­för­de­rung soll­te sich aus­schließ­lich auf Schreib­vor­ha­ben kon­zen­trie­ren, die Her­aus­ra­gen­des ver­spre­chen. Des­halb war es auch rich­tig, die För­de­rung aus künst­le­ri­schen Grün­den von einer Unter­stüt­zung aus sozia­len Grün­den abzu­kop­peln und letz­te­re ganz der 1981 ins Leben geru­fe­nen Künst­ler­so­zi­al­kas­se zu über­las­sen.«

Fazit des Vor­trags: »Das Pro­blem in den Debat­ten um Lite­ra­tur­för­de­rung besteht gegen­wär­tig vor allem dar­in, dass an einer wirk­li­chen Durch­drin­gung der Pro­blem­la­ge gar kein Inter­es­se besteht, son­dern eben­so empha­tisch wie besin­nungs­los Kul­tu­raf­fir­ma­ti­on auf der Basis eines unre­flek­tier­ten, manch­mal auch auf der Basis eines gar nicht vor­han­de­nen Kul­tur­be­griffs betrie­ben wird. Das dient oft nur einer mehr oder weni­ger durch­sich­ti­gen Bemän­te­lung von Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen, und der Ver­weis auf das ›ästhe­tisch Radi­ka­le‹ ist dabei mit­un­ter ledig­lich eine Spiel­mar­ke im Kampf um Distink­ti­ons­ge­win­ne.«