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23. März 2017, 19 Uhr
Muse­um Haus Cajeth

Nor­bert Grei­ner: Shake­speares unor­dent­li­che Welt – Selbst­er­ken­nun­gen, Selbst­ver­ken­nun­gen, Selbst­er­nen­nun­gen

Die Gedenk­jah­re zu Shake­speares 450. Geburts­tag (2014) und 400. Todes­jahr (2016) haben erneut die Auf­merk­sam­keit einer brei­te­ren inter­es­sier­ten Öffent­lich­keit auf Shake­speares dra­ma­ti­sches Werk, des­sen unver­min­der­te Aktua­li­tät und des­sen Ein­fluß auf das deut­sche Geis­tes­le­ben gelenkt. Der Vor­trag ver­sucht, eini­ge der bestim­men­den Pro­blem­kom­ple­xe in Shake­speares Werk zu iden­ti­fi­zie­ren, die sowohl die Umbruch­stim­mung der Frü­hen Neu­zeit beschrei­ben als auch deren unver­min­der­te Aktua­li­tät erken­nen las­sen. Unter den Begrif­fen der »Selbst­er­nen­nung«, »Selbst­ver­ken­nung« und »Selbst­er­ken­nung« wer­den zugleich die drei dra­ma­ti­schen Gat­tun­gen der His­to­ri­en­spie­le, Komö­di­en und Tra­gö­di­en an Bei­spiel­tex­ten vor­ge­stellt.

Prof. Dr. Nor­bert Grei­ner hat­te von 1983 bis 2000 eine Pro­fes­sur an der Ruprecht-Karls-Uni­­ver­­­si­­tät Hei­del­berg inne, wo er von 1989 bis 1991 Dekan der Neu­phi­lo­lo­gi­schen Fakul­tät und von 1993 bis 1997 Pro­rek­tor war. Im Jahr 2000 wech­sel­te er auf eine Pro­fes­sur für Eng­li­sche Lite­ra­tur an die Uni­ver­si­tät Ham­burg. Er nahm Gast­pro­fes­su­ren in Peking (1992), Alex­an­dri­en (2006) und Wien (2008–2011) wahr. In zahl­rei­chen Büchern und Arti­keln setz­te er sei­ne For­schungs­schwer­punk­te im Dra­ma und Thea­ter der Shake­speare­zeit und im bri­ti­schen Thea­ter der Gegen­wart sowie in der ver­glei­chen­den Thea­ter­wis­sen­schaft und der lite­ra­ri­schen Über­set­zung. Er war von 2005 bis 2011 Mit­glied im Vor­stand der Deut­schen Shake­speare-Gesel­l­­schaft und ist Mit­her­aus­ge­ber des Shake­speare Jahr­buchs und der Eng­­lisch-deu­t­­schen Stu­di­en­aus­ga­be der Dra­men Shake­speares, für die er Much Ado About Not­hing und Ham­let ediert hat. – Zuletzt erschie­nen: Lud­wig Tiecks Bear­bei­tung des ›Sturm‹ (in: Klaus Man­ger u.a., Wie­land Stu­di­en 8 [2013]); ›Ham­let‹. Die gro­ßen Über­set­zun­gen (Schle­gel, Boden­stedt, Haupt­mann, Rothe, Fried) (in: Peter W. Marx, Ham­­let-Han­d­­buch [2014]); Ham­let und noch immer kein Ende? Grund­la­gen und Zie­le einer eng­­lisch-deu­t­­schen Stu­di­en­aus­ga­be der Dra­men Shake­speares (in: Gesa Dane u.a., Wege zur Welt­li­te­ra­tur. Kom­pa­ra­tis­ti­sche Per­spek­ti­ven der Edi­ti­ons­wis­sen­schaft [2015]); Crime and Recom­pen­se. The Onto­lo­gy of Cri­mi­nal Acts in the Hen­ri­ad (in: Bet­ti­na Boe­cker u.a., Acts of Crime: Law­less­ness on the Ear­ly Modern Stage. Essays in Honour of Andre­as Höfe­le [2015]), sowie (zus. mit Sara Spring­feld und Sil­ke Leo­pold) Das Sonett und die Musik. Poe­ti­ken, Kon­junk­tio­nen, Trans­for­ma­tio­nen, Refle­xio­nen (2016).

wo & wann

23. März 2017, 19 Uhr
Vor­trags­saal Muse­um Haus Cajeth
Has­pel­gas­se 12
60117 Hei­del­berg

Ein­tritt: 5 Euro, ermä­ßigt 3 Euro

Eine Gemein­schafts­ver­an­stal­tung von Freun­des­kreis Lite­ra­tur­haus Hei­del­berg e.V. und der Gesell­schaft der Freun­de des Muse­um Haus Cajeth e.V.

Nach­le­se von Eike Bock zum Vor­trag von Prof. Dr. Grei­ner über Shake­speares unor­dent­li­che Welt – Selbst­er­ken­nung, Selbst­ver­ken­nung, Selbst­er­nen­nung

Prof. Grei­ner, zuletzt Lehr­stuhl­in­ha­ber für Eng­li­sche Lite­ra­tur an der Uni­ver­si­tät Ham­burg und u.a. von 2005 bis 2011 Vor­sit­zen­der der Deut­schen Shake­speare – Gesell­schaft, erläu­ter­te in sei­nem ful­mi­nan­ten Vor­trag anhand von Text­bei­spie­len wesent­li­che Zusam­men­hän­ge, die zum Ver­ständ­nis des Wer­kes die­ses ein­zig­ar­ti­gen eng­li­schen Dra­ma­ti­kers von Bedeu­tung sind. So ist die Welt im Eli­sa­be­tha­ni­schen Zeit­al­ter u.a. durch die neu­en wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se der Astro­no­mie, welt­wei­te Ent­de­ckungs­fahr­ten und die Ideen des Huma­nis­mus in Unord­nung gera­ten. Die alte Ord­nung ist nicht mehr exis­tent und auch nicht wie­der her­stell­bar (Mono­log des Odys­seus in Troi­lus und Cressi­da). Der Mensch als ein­zel­nes Indi­vi­du­um ist auf sich gestellt und auf der Suche nach sei­ner Iden­ti­tät und sei­nem Platz in der Gesell­schaft (Mono­log des Ham­let). Dabei wird aber auch bei Shake­speare die gesell­schaft­li­che Rang­ord­nun­gen ein­ge­hal­ten. Eine Ahnung von der Gleich­heit der Men­schen ist nur im Traum mög­lich – für Zet­tel aller­dings nur als Esel im Reich des Obe­ron (Ein Som­mer­nachts­traum).

Aber es geht bei Shake­speare nicht nur um Selbst­fin­dung son­dern z. B. auch um Fra­gen der Macht­er­rin­gung und des Macht­er­halts vor dem Hin­ter­grund der Ideen des Machia­vel­li, geschil­dert in den sog. Königs­dra­men (ins­be­son­de­re Richard II Hein­rich IV und Hein­rich V). Durch die Dar­stel­lung von Per­so­nen jed­we­der Art und jed­we­den Ran­ges gilt Shake­speare als ers­ter moder­ner Dra­ma­ti­ker, der den Men­schen sei­ner Zeit aber auch uns heu­te noch den Spie­gel vor­hält und somit ein Werk von unver­gäng­lich er Aktua­li­tät geschaf­fen hat. Der Zuschau­er wird dabei zum Betrach­ter sei­ner selbst.